Einleitung
Seit Juni 2010 wird ein neuer, kostenfreier Online-Katalog zur Musik unter http://opac.rism.info angeboten.
Die Datenbank enthält etwa 700.000 Nachweise zu überwiegend handschriftlich überlieferten Kompositionen, die ausführlich nach wissenschaftlichen Kriterien katalogisiert sind. Die Handschriften werden heute in Hunderten von Bibliotheken und Archiven in 32 Ländern aufbewahrt. In ihnen sind musikalische Werke von etwa 25.000 Komponisten überliefert.
Die Datenbank des Répertoire International des Sources Musicales (RISM) wird veröffentlicht von der RISM Zentralredaktion, die an der Universitätsbibliothek Frankfurt angesiedelt ist. Aufgabe des RISM ist es, die weltweit überlieferten Quellen zur Musik umfassend zu dokumentieren. RISM wurde 1952 von Vertretern der Internationalen Vereinigung der Musikbibliotheken, Musikarchive und Dokumentationszentren (IAML) sowie der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft (IMS) gegründet, unter deren Patronat es bis heute steht. Erarbeitet werden die Daten von eigenständig organisierten Arbeitsgruppen in 32 Ländern. Die RISM Arbeitsgruppe Deutschland e.V. unterhält zwei Arbeitsstellen, die an der Bayerischen Staatsbibliothek in München und an der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden angesiedelt sind.
Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten in verschiedenen Serien zahlreiche Bände in Buchform publiziert wurden (z.B. zu den Musikdrucken und Musiktheoretica vor 1800), wurde die Serie A/II: Musikhandschriften nach 1600 nach einem ersten Versuch in Form einer Mikrofiche-Edition seit 1995 in jährlich erscheinenden kumulierten CD-ROM-Ausgaben und später auch in Form einer kostenpflichtigen Internet-Datenbank publiziert. Der RISM-OPAC unter http://opac.rism.info löst diese kostenpflichtigen Angebote durch eine weltweit kostenfrei zugängliche Datenbank ab, die kontinuierlich erweitert wird.
Recherchieren mit dem neuen Musik-Katalog
Neben einer einfachen Suche, die alle Felder abdeckt, bietet der RISM-OPAC die Möglichkeit, gezielt 16 verschiedene Kategorien zu durchsuchen und dabei bis zu drei Kategorien zu verknüpfen (UND-Verknüpfung, durch ein vorgestelltes „-“ ist aber auch eine „UND NICHT“-Verknüpfung zu erreichen). So ist nicht nur eine Suche nach Komponisten möglich, sondern es kann über ein eigenes Feld „Weitere Personen“ zusätzlich nach Textdichtern, Schreibern, Vorbesitzern der Handschriften usw. gesucht werden (befand sich die Handschrift früher im Besitz einer Institution, z.B. eines Klosters, kann dies in der Rubrik „Provenienz“ ermittelt werden). Selbstverständlich kann auch nach Werktiteln, Textanfängen oder einzelnen Gattungen recherchiert werden (diese drei Kategorien sind in dem Index „Titel“ zusammengefasst). Für eine gezieltere Suche sind aber auch Abfragen über Werkverzeichnis-Nummern (z.B. nach dem Köchel-Verzeichnis der Werke Mozarts), Tonarten oder Besetzungen möglich. Auch der „Materialtyp“ ist recherchierbar, so dass beispielsweise Autographen eines bestimmten Komponisten ermittelt werden können. Möchte man sich über die Bestände einer bestimmten Bibliothek informieren, ist dies über das RISM-Bibliotheks-Sigel möglich (z.B. „D-B“ für die Staatsbibliothek zu Berlin oder „D-Mbs“ für die Bayerische Staatsbibliothek).
Um die Trefferliste weiter einzugrenzen, bieten die am linken Bildschirmrand platzierten Suchfilter die Möglichkeit einer Verfeinerung der Suche in den Kategorien „Gattung“, „Komponist“, „Datierung“, „Materialtyp“, „Besetzung“ und „Bibliothekssigel“.
Zur Verdeutlichung des bisher Gesagten möge folgendes Beispiel dienen: Möchte man sich über die handschriftliche Verbreitung der Sinfonien Joseph Haydns informieren, so sähe das Recherche-Ergebnis zunächst so aus (zu beachten ist, dass Gattungsbezeichnungen wie „Sinfonie“ im Plural eingegeben werden müssen, hier hilft aber auch das sog. „Auto-Lookup“, das schon bei der Eingabe entsprechende Vorschläge macht):
In der Ergebnisliste bieten die Suchfilter links die Möglichkeit, weitere Einzuschränkungen vorzunehmen, z.B. auf die Autographen. Die Liste führt die einzelnen Treffer in Kurzform auf, ein Klick auf die gewünschte Nummer führt zur Vollanzeige. Die Vollanzeige bringt dann eine detaillierte Beschreibung des Manuskripts mit Angaben u.a. zum originalen Titel des Werks in der betreffenden Quelle, einer genauen Beschreibung des Materials usw.
Auf Details der Quellenbeschreibungen kann hier nicht eingegangen werden, doch ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Werke jeweils durch Musikincipits (d.h. den Beginn der wichtigsten Stimme oder Stimmen) eindeutig identifizierbar werden. Diese Musikincipits werden grafisch als Notenbeispiele dargestellt, eingegeben werden sie bei der Katalogisierung jedoch im sog. „Plaine & Easie Code“. Dies wird es ermöglichen, dass in der nächsten Version der Datenbank diese Musikincipits auch suchbar werden, was z.B. bei der Identifizierung anonym überlieferter Kompositionen unschätzbare Dienste leistet.
Seit der Freischaltung des RISM-OPAC wird dieses Angebot rege genutzt. Wir freuen uns über monatlich ca. 3000 verschiedene Benutzer, die in den ersten sechs Monaten insgesamt ca. 400.000 Suchanfragen abgesetzt haben.
Wie der RISM-OPAC entstand
Der neue Online-Katalog wurde ermöglicht durch eine Kooperation zwischen dem RISM, der Bayerischen Staatsbibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin. Alle drei Kooperationspartner haben den RISM-OPAC konzipiert und getestet. Die Lieferung der internationalen RISM-Datensätze erfolgte und erfolgt weiterhin durch die RISM-Zentralredaktion in Frankfurt; implementiert wurde der RISM-OPAC durch das IT-Referat der Bayerischen Staatsbibliothek. Obwohl der Kooperationsvertrag schon im April 2008 unterzeichnet wurde, hat es mit der Umsetzung etwas länger als geplant gedauert. Die für dieses Vorhaben beantragten Drittmittel wurden nicht bewilligt, so dass die Bayerische Staatsbibliothek eigene Mittel zur Implementierung des RISM-OPAC einsetzen musste.
Ausblick
Die Datenbank ist selbstverständlich noch weit davon entfernt, die handschriftliche Überlieferung der abendländischen Musik vollständig nachzuweisen – dazu sind die in den Bibliotheken vorhandenen Bestände zu umfangreich. Als „Work in progress“ arbeitet RISM an diesem Ziel mit Nachdruck, ein Ende ist jedoch noch nicht abzusehen. Auch in Deutschland, von wo allein 40% aller Daten kommen, ist noch viel zu tun – neben vielen kleineren, aber oft bedeutenden Sammlungen, die bislang kaum bekannt sind, harren auch in den großen deutschen Musiksammlungen in Berlin, München oder Dresden noch große Bestände ihrer Katalogisierung.
Der RISM-OPAC wird kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die demnächst verfügbare Incipitsuche wurde schon angesprochen. Außerdem ist u.a. geplant, die RISM-Daten als weitere Datenquelle in die Metasuche der Virtuellen Fachbibliothek Musikwissenschaft (www.vifamusik.de) einzubinden.
Dr. Armin Brinzing (Leiter der Arbeitsstelle München der RISM-Arbeitsgruppe Deutschland e.V.)
Jürgen Diet (wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Musikabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek)