Der Podcast „Musikgespräch“

Daniel Siebert (links) und Sean Prieske (rechts)

Seit Januar 2019 erscheint monatlich der musikwissenschaftliche Podcast „Musikgespräch“. Mit Spaß und differenziertem Denken besprechen die Musikwissenschaftler Sean Prieske und Daniel Siebert darin querbeet Themenkomplexe der Musikwissenschaft. Dabei richten sie sich nicht nur an ein wissenschaftliches Fachpublikum, sondern auch an alle anderen musikinteressierten Zuhörer*innen. Gleichzeitig begrüßen sie auch prominente Gäste wie Echogewinnerin Asya Fateyeva, den Philosophen Daniel Martin Feige oder Rapper Shacke One. Sean und Daniel sind Musikwissenschaftler aus Leidenschaft und holen die Musikwissenschaft aus ihrer Nische. Mit wissenschaftlicher Expertise und einer gesunden Portion Humor sprechen sie über Musik. Das neue „Musikgespräch“ erscheint jeden 15. des Monats auf den meisten Podcastplattformen und auf www.musikgespraech.de (Selbstportrait).

Warum Podcasts? Wie kamt ihr dazu?

Daniel Siebert (DS): Wir haben im Jahr 2017 einfach festgestellt, dass es noch keinen deutschsprachigen musikwissenschaftlichen Podcast gab. Da sahen wir ein absolutes Desiderat. Podcast ist zudem ein Medium, was gerade in aller Munde ist. Es gibt ja momentan fast schon zu viele Podcasts. Wir sehen das Musikgespräch als einen Weg, eine Lücke zu schließen: Musikwissenschaftler*innen sprechen miteinander über musikwissenschaftliche Themen. Manchmal sind das aktuelle Forschungsprojekte, manchmal aber auch bereits etabliertes Wissen, das von uns ansprechend aufbereitet wird. Und im Bereich der Musikwissenschaft ist das immer noch einzigartig …

Sean Prieske (SP): Zumindest waren wir, soweit wir das nachvollziehen können, die ersten mit einem musikwissenschaftlichen Podcast. Über mittlerweile fast drei Jahre ist das Format gewachsen und findet tolles Feedback. Es zeigt, dass wir den richtigen Riecher gehabt haben und das Format sich sehr gut für Wissenschaftskommunikation eignet. Während das anfangs auch mehr ein Learning by Doing war, arbeiten wir mittlerweile mit professionellem Sponsoring und geben unsere Erfahrungen auch in Workshops und auf Konferenzen weiter.

Was ist die Zielgruppe? Welches Feedback bekommt ihr?

DS: Unsere Zielgruppe sind zum einen Kolleg*innen zum anderen Musikinteressierte. Das Feedback ist sehr unterschiedlich. Für einige Kolleg*innen gehen wir zu wenig in die Tiefe, für Laien wiederum sind wir manchmal zu wissenschaftlich. Aber genau diese Schnittstelle wollen wir bedienen.

SP: Ich sehe das etwas optimistischer als Daniel: Wir kombinieren das Beste aus musikwissenschaftlicher Tiefe und einer Aufmachung, die auch Laien verstehen. Das Podcast-Format lädt ja sehr zum Experimentieren ein, sodass die Folgen teilweise auch formal unterschiedlich sind. Während wir nach den ersten Musikgesprächen noch Tipps von unserem Publikum bekamen, erhalten wir mittlerweile vorwiegend positive Kritik. Das zeigt sich in Besprechungen in Radio- und Online-Formaten, aber auch in den stetig wachsenden Download- und Streaming-Zahlen. Trotzdem sind wir selbst immer unsere größten Kritiker und versuchen mit jeder neuen Podcast-Staffel auch das erhaltene Feedback und eigene Vorstellungen einzubauen, um die Folgen weiterhin interessant zu gestalten.

Wo seht ihr die Unterschiede zu anderen
wissenschaftlichen bzw. journalistischen Textformen?

SP: Klassische Wissenschaftsformate sind ja Textveröffentlichungen oder Vorträge. Bei diesen aufbereiteten und sehr formalisierten Formaten fällt aber eine Sache unter den Tisch, die für Wissenschaft essenziell ist: das einfache Gespräch zwischen Kolleg*innen, in welchem Wissen weitergegeben und diskutiert wird. Und diese Art von Gespräch versuchen wir vor dem Mikrofon zu ermöglichen. Dabei kann viel gelernt, aber gerne auch gescherzt werden. Dennoch sehen wir uns schon als Wissenschaftler und nicht als Journalisten. Die Wissenschaft besitzt eine andere Form, Argumentationen mittels Quellen und Verweisen zu untermauern. Deshalb arbeiten wir auch immer mit Literaturlisten zu jeder Episode. Außerdem sollen die Herkunft von Wissen und auch die verwendete Methode sichtbar gemacht werden. In der Wissenschaft ist halt die Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses genauso wichtig wie die Erkenntnis, die am Ende gewonnen wird.

DS: Und natürlich laden wir Wissenschaftler*innen in die Sendung ein. So treiben wir Fachdiskussionen voran und erfahren teilweise den Inhalt von Büchern noch vor ihrer Veröffentlichung. Wir versuchen eher, einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs zu liefern, als einfach über Wissenschaft zu berichten. Und dadurch ist das Musikgespräch auch immer aktuell, teilweise sogar aktueller als die wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Was wir machen, ist ein Dialog mit Livecharakter. Dadurch ergeben sich auch Nebengedanken und kleine Einwürfe. Das Format ist gleichzeitig weniger starr als wissenschaftliche Texte und soll auch ein Stück weit unterhaltenden Charakter haben. „Edutainment“ ist hier das Stichwort!
Die direkte Kommunikation mit dem Publikum über Social Media spielt für uns ebenfalls eine große Rolle, so dass wir neben unserer Homepage www.musikgespraech.de auch Instagram, Facebook und Twitter nutzen. Zudem haben wir auch einen Newsletter, über welchen wir in größeren Abständen exklusive Hintergrundinformationen teilen.

Könnten Podcasts „wissenschaftliche“ Textformen sein (in Forschung oder in Lehre)?

DS: Auf jeden Fall! Warum auch nicht?

SP: Sehr gerne. Ich denke, es braucht hier auch keine Anführungszeichen für eine Distanzierung davon. Wir wissen, dass das Musikgespräch in Seminaren bereits als Lehrmaterial genutzt wird. Und teilweise zitieren Studierende aus meinen Seminaren meine eigenen Podcast-Aussagen in Hausarbeiten. Das geschieht natürlich immer mit einem freundlichen Augenzwinkern, zeigt aber auch, dass das Format in der jungen Generation angenommen wird. Gleichzeitig lese ich gelegentlich Call for Articles, die als Beitragsform für digitale Publikationen auch Podcast-Formate zulassen. Und ich selber habe für eine Forschungsgruppe das Podcast-Format für die Präsentation von Forschungsergebnissen genutzt, was eine tolle Alternative zur Posterpräsentation darstellte.

DS: Was ja schon ganz gut zeigt, dass das Podcast-Format im wissenschaftlichen Betrieb angekommen ist.

Wo seht Ihr die Grenze von Musikjournalismus und Musikwissenschaft?
Gibt es die überhaupt?

DS: Eine Grenze zum Musikjournalismus ist die Aufbereitung des jeweiligen Themas, die Herangehensweise, Darstellung und natürlich auch die Stilhöhe. Wir haben schon den Anspruch ein bisschen hinter den Vorhang zu schauen und auch keine Anekdoten oder Mythen zu reproduzieren. Wir arbeiten zudem konsequent mit einer Literaturliste zu jeder Folge, die wir auch veröffentlichen. Ich denke, die Stilhöhe zum Musikjournalismus wird klar, wenn man sich unseren Podacts anhört und mit journalistischen Podcasts vergleicht.

SP: Vielleicht trifft „kritische Distanz“ es besser als „Stilhöhe“. Da Musikjournalismus immer auch die Nähe zu Fans als Zielgruppe suchen muss, kann er sich zwangsläufig niemals ganz entfernen von einem prinzipiellen Wohlwollen gegenüber der beschriebenen Musik. Viel Musikjournalismus ist letztlich Musikkritik, also eine ästhetische Bewertung von Musik. Als Musikwissenschaftler interessieren uns aber oftmals ganz andere Aspekte: Statt zu bewerten, beschreiben wir eher Musik, analysieren sie mit Blick auf interne Eigenschaften oder setzen sie in ein Verhältnis zu gesellschaftlichen Prozessen. Das macht Musikwissenschaft für uns auch so spannend. Das Fach bietet viel mehr als nur reine Musikanalyse. Der musikwissenschaftliche Blick bietet eine Perspektive, durch Musik die Welt zu verstehen. Und Musik erzählt viel über uns als Menschen, über unsere Herkunft, über unsere Vorlieben, über unsere sozialen Beziehungen, aber auch über unser Verhältnis zur Natur, unsere Emotionen und unsere Orientierung in der Welt. Diese Vielfalt der Musikwissenschaft möchten wir im „Musikgespräch“ hörbar und verständlich machen.

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