Als bei den Darmstädter Ferienkursen 2018 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Notations“ – explizit anknüpfend an den Kongress „Notation Neuer Musik“ des Jahres 1964[i] – zeitgenössische Notationspraktiken diskutiert wurden, geschah dies unter den Aspekten ‚Utopie‘ (Ferneyhough), ‚Resultat‘ (Boulez), ‚Imperativ‘ (Lachenmann) und ‚offene Form‘. Zweifelsohne sind Helmut Lachenmanns Mischformate aus Resultat- und Aktionsschrift oder Brian Ferneyhoughs überbestimmte Partituren ein faszinierendes Studienobjekt; auch für die theoretische Durchleuchtung der Potenziale und Funktionsweisen musikalischer Schrift stellen sie einen wichtigen Bezugspunkt dar.

Zur Polemik „Igor Levit ist müde“ in der Süddeutschen Zeitung wurde vieles gesagt. Und es hat etwas von Nabelschau und Nestbeschmutzung, über Kollegen und über Vorgänge in anderen Redaktionen zu mutmaßen. Die Entgegnung von Carolin Emcke in der gleichen Zeitung bildete mehr oder weniger ein Schlusswort, dem nichts hinzuzufügen ist. Daher nur ein paar lose Gedanken und Beobachtungen, weil der Fall geeignet ist, den ohnehin nur mäßigen Ruf der Musikkritik zu beschädigen.

Im Anschluss an Helmut Maurós Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Oktober 2020 mit dem Titel „Igor Levit ist müde“ hat sich eine lebhafte Debatte entwickelt. Sie betrifft Maurós Text, die in ihm formulierten Argumente und Vorannahmen und ihre sprachliche Ausgestaltung, aber ebenso die Frage nach den Kompetenzen und Aufgaben von Musikkritik. Um eine Übersicht über die vielfältigen Beiträge zu ermöglichen, zu denen auch dieser Blog beiträgt, sind im Folgenden die zentralen Texte ausgeführt und soweit möglich auch verlinkt.

Als zwei angehende Doktorandinnen, die innerhalb ihrer Disziplinen – Literatur- und Musikwissenschaft – an jenen Forschungsgegenständen interessiert sind, die als „anders“ und „jenseits des Kanons“ betitelt werden, wurden wir in letzter Zeit häufig gefragt, wie wir die Diversität an deutschen und englischen Universitäten im Vergleich beurteilen würden und auch, wie man diese erhöhen könne. Dies ist ein Versuch, diese Frage in Referenz auf bestehende Ressourcen zu beantworten.

Eine Kommentarlawine unter einem Blog-Artikel löste Anfang 2016 eine heftige Debatte über Rassismus in der US-amerikanischen Musikwissenschaft aus.[1] Auf dem Blog Musicology Now der American Musicological Society (AMS) und in sozialen Netzwerken machten Musikwissenschaftler*innen unter dem Hashtag #AmsSoWhite auf ihre Erfahrungen mit strukturellem Rassismus in einer von weißen Wissenschaftler*innen dominierten Disziplin aufmerksam.

Der Brite Edward Colston war ein mörderischer Sklavenhändler. Von seinen Schiffen wurden einst versklavte Afrikaner, die wegen Krankheit für seine Royal African Company nichts mehr „wert“ waren, lebendig in den sicheren Tod von Bord geschmissen. Deshalb wirkte der Moment, in dem seine Statue in den Hafen der Universitätsstadt Bristol platschte, auf mich und viele andere wie eine Erleichterung. Endlich passierte einmal etwas, auch wenn es tragischerweise den brutalen, öffentlichen Polizeimord an George Floyd und das darauffolgende Wiederaufflammen der Black-Lives-Matter-Bewegung brauchte, um so weit zu kommen. Die Statue, von stolzen Bürgern in der späten Viktorianischen Zeit errichtet, erinnert(e) an Colstons Wohltätigkeit. Schon vor Jahren entbrannte ein heftiger Streit darüber, ob ein Mann, der sein Vermögen dem Menschenhandel verdankte, noch so ein Monument verdiene. Viele Jahre des Hin und Her brachten keine Veränderung. Man stritt über Vorwürfe von „Geschichtsklitterung.“

Loggt man sich in diesen Tagen als Studierender der LMU München in das universitätseigene Portal Lehre, Studium, Forschung (LSF) ein, so erscheint folgende prominent platzierte Meldung: „Gemäß Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 10.03.2020 ist der Lehrbetrieb in Präsenzform unverzüglich bis auf Weiteres einzustellen.“ Der Studienalltag ist demnach momentan von virtuellen Zoom-Meetings, Break-Out-Sessions, Präsentationen über Bildschirmübertragung und regem E-Mail-Verkehr geprägt. In den Bibliotheken wird ein möglichst effizienter und kontaktloser Ausleihvorgang versucht zu ermöglichen, der die Aufenthaltsdauer auf ein Minimum reduzieren soll.

Man könnte meinen, ein Text zum Bologna-Prozess sei im Jahr 2020 aus der Zeit gefallen. Die Reform der Studiengänge an den europäischen Universitäten ist doch schon längst abgeschlossen. Tatsächlich sind die allermeisten Curricula in Module gegossen und an vielen Universitäten wurden diese von (mehr oder weniger unabhängigen) Agenturen auch akkreditiert. Dass bei diesen „Qualitäts­sicherungs­maß­nahmen“ nicht immer mit nachvollziehbaren Bewertungs­kriterien gearbeitet wurde, ist sicherlich Thema für einen eigenen Text und soll hier keine Rolle spielen.

Da der Fokus dieses Beitrags auf einigen kritischen Beobachtungen im Kontext der Erfahrungen und des Erfahrungsaustausches der vergangenen Wochen liegt, sei eines vorausgeschickt: Die digitale Lehre funktioniert. Forschung und Lehre sind – zumindest in unserem Fach – nicht an das Gebäude der jeweiligen Institution gebunden. Wenn der Campus unzugänglich ist, kann es trotzdem weitergehen. Deutlich spürbar war und ist bei allen Beteiligten der Wille, dass das Sommersemester so gut und reibungslos wie möglich seinen Lauf nimmt.

Eine Fachgeschichte nach 1945 ist Bestandteil einer Kulturgeschichte des Kalten Krieges. So genannte Cold-War-Studies sind ein sehr junger Zweig der Geistes­­wissen­schaften. So gründeten wir 2006 in Los Angeles bei der American Musicological Society eine Cold War Study Group. Wie schreibt man die Kultur­geschichte eines geteilten Landes (exemplarisch für eine geteilte Welt), dessen einer Hälfte von den Westalliierten eine relativ offene und dessen anderer, kleinerer Hälfte von den Sowjets eine relativ geschlossene Gesellschaft verordnet worden war?